Bildende Künstler

Die Wise der Fische



Text von Ulrike Ritter

Godzilla, Heisei Series, godzillatemple
Camille Claudel "La Valse", Abb. Google Images
Camille Claudel, Welle mit drei tanzenden Frauen, Bronze Abb. Google
Die Assoziation von Monstern, die aus dem Meer steigen und die japanische Insel bedrohen, ist zwar mit der Angst vor einem Atomkrieg oder atomaren Katastrophen assoziiert, - die Monster sind aber auch gerade deshalb Fantasiewesen, weil sie sich als solche jeder Projektion fügen: Das Monster ist wie....Tsunamie, Bomber des zweiten Weltkriegs, der böse Onkel. Allerdings, die Beschwörung der atomaren Gefahr gab in „Godzilla – die Rückkehr des Monsters“ von 1984 Anlass zu einem Bild:

„Ein gigantischer Godzilla kommt aus dem Meer und stapft auf einen Atomreaktor zu. Dann trampelt er mitten in den Reaktor hinein und nimmt dessen Energie auf. Es ist der auch symbolische Anschluss des Monsters an seine atomare Kinderstube.“ (Buttgereit)



Das Bild zeigt natürlich auch den Eklektizismus des Films, der aus Japan hinausweisend auch an Mary Shelleys Frankenstein-Roman erinnert und dessen Monster, das durch den damals gerade wissenschaftlich durchleuchteten Blitz erweckt und quasi mit Lebensenergie aufgeladen wird. Mit der anderen, kritischen Komponente, dass Atomkraftwerke Anschläge von terroristischen Attentaten werden können, mischen sich in Horrorfilmen soviele andere Bilder und Assoziationen, dass dieses rationale Potenzial kaum eine Chance hat, sich durchzusetzen. Wenn, dann als Aufforderung, Terroristen zu bekämpfen und nicht als Aufforderung, auf die Energie, die diese für sich verfügbar machen möchten, von vorneherein zu verzichten.

Eklektizismus versammelt ein Repertoire bekannter Bilder, einen kulturellen Atlas nach Aby Warburg oder, wenn semantisierbar-inhaltlich durchdacht – auch nach Panofsky, also in jedem Fall klassisch ikonologisch. Doch der Ikonologos ist, wie der Logos im Sinne von „satz“ selbst, nicht immer ein Aussagesatz. Er kann auch eine rhetorische Geste sein – und häufig ist der Logos des trivialen Mediums und dessen eingesprengseltes Bildungsgerümpel auch einfach gestisches Zurschaustellen assoziierbaren Materials, Frankenstein der euphorische Wissenschaftler und erster (als alter ego der Ersten, Mary Shelley), der dem Energieerhaltungssatz widersprach, bevor dieser in den Wissenschaften überhaupt ausgesprochen war – also bei Godzi vor allem deutschtümelnd-romantisches Beiwerk aus dem Fundus der deutschen Kultur der Romantik, den die Japaner lieben, wo sie sich zu Hause fühlen: Heidelberg, Miharu Koshis Gounod „Ave Maria“-Interpretation, Schubert, Rosenknaben et al etc. pp. Damit sich die Hagajuku-Style-Girls im Kino wohlfühlen, und wir natürlich auch. Der deutsche Verleihtitel des achten Films der Godzi-Serie also: „Frankensteins Monster jagen Godzillas Sohn“ - wobei „Frankenstein“ hier als eine Art Allgemeinbegriff für Wissenschaftler dient, die mit modernen Energien arbeiten – bei Mary Shelley noch natürliche Elektrizität, insbesondere das Naturphänomen Blitz - bei Jun Fukuda 1967 wiederum Kernenergie:

„Auf der fiktiven Insel Sollgell Island arbeitet ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Dr. Tsunezou Kusumi an einer Wetterkontrollanlage. Bei einem Test entweicht aus der Maschine radioaktives Gas. Durch dieses steigert sich die Körpergröße der auf der Insel lebenden riesigen Gottesanbeterinnen (im Original Kamakirasu). Einige Wissenschaftler beobachten im Folgenden wie drei dieser Geschöpfe ein riesenhaftes Ei angreifen. In Folge dieser Angriffe zerbricht dieses und ein putziges, an Godzilla entfernt erinnerndes Baby kommt zum Vorschein. Aufgrund der Hilferufe dieses Babys erscheint kurz drauf Godzilla, der zwei der Gottesanbeterinnen tötet und die Basis der Wissenschaftler verwüstet.[...]“ (Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Frankensteins_Monster_jagen_Godzillas_Sohn)



Kehren wir also gegen den Strom zu den historischen Tatsachen zurück und dem Film kurze Zeit den Rücken zu bzw. beschäftigen uns mit einem anderen Film. Wir denken an die französische Bildhauerin Camille Claudel – ihre jugendstilnahen Übergänge von der Raumform zum Raumornament, sei es bei der Marmorskulptur einer Frau in Rückenansicht oder, demonstrativer, bei „La Valse“, ebenso offenherzig erotisch. Die Welle mit drei tanzenden Wasserfrauen dagegen in Aufsicht eher unharmonisch, mit disparat erscheinenden Vergrößerunngen und Verkleinerungen der natürlichen Größen, die dann jedoch aus anderer Perspektive wieder gerade der Massivität der Bronzeskulptur verblüffende Leichtigkeit abgewinnen, also schon 'interessant', vielleicht analytischer und sicher provokanter als man es zu ihrer Zeit verstehen wollte.





Im Film findet besondere Aufmerksamkeit nicht die kleinteilige Modernität ihres Werkes sondern eine Etüde, ein Körperdetail: Die Rodinschülerin schöpft zur Bewunderung ihres Lehrers einen schönen Fuß, ein Körperdetail, aber lebensgroß, im Gegensatz zu ihren anderen Werken, in denen sie schon aus finanziellen Gründen und wohl auch gemäß dem Verbot gigantomaner Projekte für Frauen, Ganzkörperwerke in Kleinformate presste. Die Etüde prüft und zeigt natürlich auch ihre Eignung zur Mitarbeit an den Großskulpturen Rodins. Auch an einem Fuß´lässt sich schließlich zeigen, dass man anatomische Formen beherrscht. Doch der Fuß im Film ist auch Symbol für die untergeordnete Mitarbeit, den Hilfsarbeiterstatus.

Gab es ihn? Wenn nicht, dann wäre er es als Symbol doch wert gewesen: Der Fuß ist vollendete Mimesis, aber auch unscheinbares Symbol: Die Mimesis als Fundament der Darstellung, der ideale, tragfähige Fuß als Ideal an Form und Funktion. Die Zweibeinigkeit als Wert erkennend und so Pygmalion übertreffend. Vielleicht auch sogar christlich, der reine, gemeisselte Fuß wie gewaschen. Schließlich tragisch: Ödipus – Claudel wurde nur vom Vater unterstützt, dessen Rolle zu übernehmen bot sich so dem fünfundzwanzig Jahre älteren Bildhauer Auguste Rodin an – der sich dann lieber stiefmütterlich benahm, bis sie ihn verließ und ohne soziale Unterstützung auch die für ihr Werk verlor, verarmte unnd schließlich von der eigenen Familie in die Psychiatrie entsorgt wurde.

Die Füße der Japaner. So wie der Film die Fußszene inszeniert, einen schweren Rucksack patriachalen Mauerwerkes verklärt, so schlieren die japanischen Ärzte und Pressesprecher über den Sachverhalt hinweg, dass das Wasser nicht nur tödliche Folgen haben kann, sondern auch die Anwesenheit eines Lecks voraussetzt. Godzillas Fußtritt - das Aufladen uund Aneignen von Energie, die monströs gewordene Zweibeinigkeit - misslingt und zerstört auch symbolisch das Fundament einer Kultur der Trennung von Fuß und Hand, Bauch und Kopf. Waschung – als kulturelles Leitbild – findet sich so real ins Gegenteil verkehrt. Zur Zeit der Urchristen, für die Taufe und Fußwaschung noch besondere Bedeutung hatten, konnte man quasi als Nebensinn die Verfügbarkeit und Sauberkeit von Wasser feiern. In den Zeiten von PKW und Wasserleitung fehlt die Emphase, die man damals über die Kühlung einer wundgelaufenen Fußsohle oder einfach einen Humpen Frisches empfinden konnte. Der weitgehende Verlust dieser Empfindung durch technisch in sich perfekte und abgeschlossene Versorgungssysteme rächt sich besonders katastrophal, wenn gerade das fundamentale Element Wasser verseucht wird und somit unbrauchbar.

Unsere deutsche Regierung weiß es auch bereits und sorgt hysterischen Anrufen von Verbrauchern vor: * Sohn färbt sich nach Sushi-Essen grün - Indiz für Godzi-Transformation? *

Unser Ministerium bzw. seine Beauftragten nehmen von Importen Stichproben, die auf Radioaktivität geprüft werden. Ansonsten verlässt man sich auf die Überprüfung und Zertifizierung im Herstellerland. Die Japaner, Ärzte und andere in die Atomindustrie involvierte Wissenschaftler, dürfen selbst entscheiden, ob die Konsumenten in aller Welt durch ihre Exporte ungefähr so geringgradig gefährdet werden wie die Rettungskräfte mit den leichten Fußverbrennungen. Der bisherige, eindeutig trivialisierende Umgang Japans mit der Verbreitung von Radioaktivität weckt also besonderes Vertrauen. Die Schutzzone um das Kraftwerk wurde von den Japaner auf 20 Kilometer beschränkt – im Gegensatz zu den empfohlenen 80 bis 100 km. Usw.

Zur Zeit werden Produkte wie Soßen und Gewürze exportiert, von denen man in den Importländern nicht genau genug weiß, wie und wo sie hergestellt werden, um sie zu fürchten. Fische importiert Deutschland nach Angaben der Bundesregieung vor allem aus dem Nordatlantik. Häufig ist aber, wie man seit Thunfisch-Skandalen und Wildlachs-Etikettenschwindel weiß, nur die Vertreiberfirma nordatlantisch, während die Fischzüge, Ringbandnetze und Schleppnetze den Pazifik durchstreifen. Auch die englische Nordwestküste war zudem mehrfach Ort von Reaktorunfällen, die die nähere Umgebung belasteten, u.a. das Meerwasser und die Atmosphäre durch eine radioaktiv verseuchte Wolke. Die Wolken von Tschernobyl verseuchten Böden und Wälder bis hinein nach Bayern, wie man mittlerweile, nachdem neue Aufmerksamkeit auf das Energieproblem gelenkt wurde, in den spätabendlichen Hintergrundsendungen zu den unzähligen Reaktorunfällen der Geschichte erfährt. Da diese Berichte nun paradigmatischen Wert haben müssen, erfährt man auch, welche Auswirkungen die Verbreituung von Radioaktivität auf die Lebensmittel der Regionen hatten.

Und tatsächlich: Pilze, Beeren und Wild, also die Flora und Fauna der Wälder, sind in Bayern noch immer in irregulärer Form von radioaktiver Verseuchung betroffen. D.h., bei manchen Stichproben finden sich immer noch unzulässig überhöhte Werte. Ein Rehbraten ist also auch offiziell noch immer ein Risikogericht – von den privaten, nicht forstwirtschaftlich kontrollierten, nicht ökologischen Erzeugern landwirtschaftlicher Produkte weiß man es vielleicht einfach nicht, wieviel Becquerel im Getreide mitschwingt, wenn sich goldene Felder idyllisch in Wind und Sonne aalen.
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