6. Aliseo Art Project, This is Circus
3.5.2014 - 4.5.2014Aliseo Art Project
Leutkirchstr. 63
77723 Gengenbach
Deutschland
Ausstellungsdauer
3.5.2014 - 4.5.2014
THIS IS CIRCUS
Der Zirkus war schon immer ein beliebtes Thema der bildenden Kunst. Man denke nur an Le cirque bleu (1950-52) von Marc Chagall, Die Kunstreiterin im Zirkus Fernando (1888) von Henri Toulouse-Lautrec, der Zirkus (1891) von Georges Seurat, Zirkus (1913) von August Macke, Großes Varieté mit Zauberer und Tänzerin (1942) von Max Beckmann und Wanderzirkus (1948) von Erich Heckel.
Was macht die darstellende Kunst interessant für die bildende Kunst? Der Grund hierfür mögen Menschen in Kostümen, geschmückte Tiere, Zauberei und akrobatische Leistungen sein, kurz, eine Welt fernab wohlgeordneter, langweiliger Strukturen, die dem bildenden Künstler ein reichhaltiges Angebot an phantasiereichen Impressionen bietet.
Während Künstler klassischer Zirkusdarstellungen in der Vergangenheit eine eher passive Rolle, die sich auf die Wiedergabe oder Interpretation des Gesehenen beschränkte, einnahmen, kreieren die 20 Künstler des 6. Aliseo Art Projects ihre darstellenden Künstler selbst. Sie bestimmen, wie der Titel der Ausstellung verrät, THIS IS CIRCUS, was Zirkus ist.
Die Protagonisten, die man in den Gemälden, Grafiken und Fotografien der 20 Künstler findet, sind Nackte, Business-Männer, Hollywood-Abdankende, Außenseiter, Fabelwesen, Chimären und weitere skurrile Gestalten.
Der „Freak“, wie Torsten Solin, der Kurator der Ausstellung, diese Figuren nennt, ist der Künstler, der sich in einem schizophrenen Zustand zwischen Hochachtung und Außenseitertum befindet. Wie in einer griechischen Tragödie, sieht Herr Solin den Künstler in einer ausweglosen Situation, aus der er, egal wie er handelt, nur schuldig herauskommen kann. Dieses Schicksal wird für ihn nur durch Ironie (griech. Verstellung) erträglich.
Torsten Solin selbst ist unter anderem mit Fotoarbeiten seiner aktuellen Serie Broken Mirrors (2011-2014) zu sehen. Für diese Serie zerbrach Solin diverse runde und rechteckige Spiegel und fixierte die Scherben derart, dass durch einen leichten Neigungswinkel zum Untergrund und zu angrenzenden Scherben eine entsprechende Verschiebung des Gespiegelten entsteht.
Nadja Schütts Linolschnitte aus der Serie Snow (2013) erinnern auf den ersten Blick an Die große Welle vor Kanagawa (1830) von Hokusai. Der Betrachter ihrer Bilder schaut einem Zirkusspektakel der Natur zu, und diese Natur ist weit, mächtig und kalt; dem Menschen in ihr bleibt keine andere Wahl, als sich mit der Natur zu verschmelzen.
Die in der Ausstellung zu sehenden Gemälde des niederländischen Malers Sjoerd van Lankveld sind in ihrer Farbenfröhlichkeit wie Zirkusszenen beispielsweise von Max Pechstein. Der Betrachter ist nicht unverleitet, die in kleine Quadrate geteilten Bilder zerschneiden zu wollen, um dann zu versuchen, die einzelnen Stücke passend zusammenzulegen.
Klassische Zirkusprotagonisten findet man in Michael Kutsches Ölgemälde Fightclub (2005). Ringer waren auch in der Vergangenheit ein beliebtes Motiv, so zum Beispiel in Ernst Ludwig Kirchners Ringkämpfer in einem Zirkus (1909). In Kutsches Bild Golem (2010) findet man gleich mehrere eigenartige Wesen: einen Zwerg, ein gekleidetes Schwein auf zwei Beinen und ein riesiges, maschinell wirkendes Patchwork-Insekt.
Die von Hollywood abgewendeten Figuren in den Bildern der kanadischen Künstlerin Paula Hartschuh-Bogati scheinen von der Welt so gelangweilt zu sein, dass sie mit dem Tode spielen. Die Künstlerin nennt die Extreme in ihren Werken „violence de la paix“.
Christian Hartschuh-Bogati zersetzt seine Objekte und Subjekte. Gleichzeitig produziert er Unschärfen und Dimensionen. In farblich ästhetischen Kompositionen setzt er Fragmente wieder zu einem einheitlichen Ganzen zusammen. Der Künstler, der in Berlin und San Diego lebt, erstellt Fotografien, fotokubistische Arbeiten, Gemälde und Drucke.
Theo Boettger erklärt in seinen Collagen von 2013 den Businessmann und die Messengers zum Clown. Für ihn sind diese Figuren Zirkus. Damit erfasst er unsere Zeit und zeigt einen zeitgenössischen Zirkus, den es im 20. Jahrhundert noch nicht gab. Gleichzeitig findet man hier vertauschte Rollen; der Künstler ist nicht mehr der in der griechischen Tragödie gefangene „Freak“. Der „Freak“, das sind nun „die anderen“, „die Normalen“; in den Ohren mag das Lied der sich wendenden Tische, Talking about a Revolution, von Tracy Chapman erklingen.
Martin Mannigs Werke wirken wie Kinderbuchillustrationen. Doch Vorsicht; während einige seiner Gestalten lustig und niedlich wirken, sind andere seiner Figuren tiefgründig und fast unheimlich. Mannigs Werke sind weltweit beliebt und werden unter anderem von der Galerie Gebrüder Lehmann und der Nanzuka Galerie in Tokyo repräsentiert.
Weitere Künstler der Ausstellung sind Sascha Hoffmann, dessen Werke bereits in der Vergangenheit bei einem Aliseo Art Project zu sehen waren, Alexander Becherer, der letztes Jahr mit seinem monumentalen Werk Paratropolis den 2. Platz beim Warsteiner Bloom Award erzielte, Hansa Wißkirchen, der „Crazyman“, der unter anderem für seine Gullyaktion (1994) und seinen Salon „Hansa“ in Düsseldorf bekannt ist, Anne Carnein, einst Meisterschülerin von Prof. Stephan Balkenhol der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, der russische, aus Moskau stammende und nun in Berlin lebende Künstler Nicolai Makarov, Tim Ernst, Rebecca Thomas und Steffi Weigel.
Neben Werken der Malerei, Grafik und Fotografie werden auch Skulpturen des Künstlers Christian Henkel ausgestellt. Viele seiner Bauten erinnern an bunte Zirkuswagen.
Die Ausstellung THIS IS CIRCUS soll auch ein Gegenstück zum aktuellen Trend der Neuen Sachlichkeit in der bildenden Kunst sein und den Menschen wieder als Gefühlsmenschen und Individuum in den Mittelpunkt stellen.
Am Abend der Eröffnung der Ausstellung wird der aus Australien stammende Künstler und Musiker Joshua Head in der Rolle seiner Fantasiefigur Reecard Farchee/Anklepants in einer Live-Show auftreten; ein Drahtseilakt zwischen Science-Fiction und Techno-Musik, zwischen Fantasie, Wahnsinn und Kunst; ein Freak im Zirkus! Gleichzeitig wird Joshua Head Fotoarbeiten zeigen, die er zusammen mit Dina Schweiger gemacht hat.
Ein weiteres Highlight der Ausstellung sind Bilder von Robert Holcombe, der ebenfalls Australier ist. Er ist zu einem der bedeutendsten Vertreter australischer Gegenwartskunst geworden. Unzählige Kunstsammler und Unternehmen, die vollständige Holcombe-Reihen als Wertalanlage kaufen, freuen sich, wenn sie seine Werke für Preise im noch fünfstelligen Bereich ergattern können. Es sei wohl seine Signatur, die ihn so unverwechselbar mache, entgegnet der Künstler einst charmant.
Weitere Informationen
aliseoartprojects2.blogspot.de/
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